Sich in Diskurse einmischen, Komplexität zur Verfügung stellen und verbunden sein, aber trotzdem Unterschiede wahren – das ist das Ziel der Katholischen Akademie des Bistums Hildesheim und ihres Direktors Thomas Harling. Anlässlich der Übernahme des Tagungshauses am Platz an der Basilika hatte sie am 22. Mai eingeladen, eine Standortbestimmung im wörtlichen und übertragenen Sinn vorzunehmen.
In vier Bereichen gab es Kostproben der Akademiearbeit zu erleben. Das Tagungshaus präsentierte unter dem Titel „Wissen & Wagen“ Kurzvorträge aus Wissenschaft und Stadtkultur, im zweiten Stock gab es mit „Kunst & Koffein“ eine Ausstellung von Fotograf*innen des Goethe Exils, einen Vorstellungfilm der Akademie und eine Kaffeebar zu entdecken.
Die Basilika war unter dem Titel „Schönheit und Schokolade“ Herberge für irdische und außerweltliche Genüsse. Schokolade gab einen kleinen Vorgeschmack auf den Genuss, der hinter dem Alltag wartet. Zu den Klängen der Orgel, intoniert von Francesco Bernasconi, wurden die Gäst*innen Teil des internationalen Kunstprojekts Breathe with me von Jeppe Hein. Die Idee: den Atem sichtbar machen. Dazu nahmen die Teilnehmenden einen Pinsel mit blauer Farbe in die Hand, atmeten ein, setzten den Pinsel auf die Leinwand, und zogen ihn beim Ausatmen herunter. Jeder Strich, der nach und nach die Leinwand füllte, bezeugte eine allen Menschen gemeinsame und alle Menschen verbindende Tätigkeit. Für Akademiedirektor Thomas Harling versinnbildlicht dieses Projekt auch die Akademie, denn diese müsse „mit allem verbunden sein, das lebt“ und gleichzeitig Unterschiedlichkeit wahren. Beim bewussten Atmen besinne man sich auf seinen Platz in der Welt und seine Verantwortung für eine gute Lösung aktueller Fragen und Probleme; ein Diskurs, an dem sich auch die Akademie beteiligen will. Und zwar mit ihrer Haltung und Perspektive, gleichzeitig auch offen und einladend. Diese Einladung könne sie nun an ihrem neuen Standort aussprechen – „die Akademie möchte gefunden werden.“
Auf dem Platz an der Basilika startete das Fest mit „Diskurs & Plauderei“. Es begrüßten Thomas Harling und Bischof Dr. Heiner Wilmer, der deutlich machte, dass es eine gute Entscheidung gewesen sei, die Akademie von Goslar nach Hannover zu bringen. Hier könne sie sich an aktuellen Diskursen beteiligen und zeitgemäß arbeiten, einladend, verlässlich und mit einem tollen Team. Einen überraschenden Beitrag zum Fest leistete der Bischof, als Akademiedirektor Harling ihn an sein Angebot erinnerte, an der Cocktailbar einzuspringen. Mit den Worten „Ich bin hier, um zu helfen“ lies Wilmer sich auf den Spaß ein und mischte, unter kundiger Anleitung, einen fruchtigen, alkoholfreien Drink. In dessen Genuss kam Sabine Klages, Leiterin der Abteilung Bau im Bistum. Ihr Urteil: „Sehr lecker“.
Bei der Podiumsdiskussion, moderiert von Tan Çağlar, wünschten die Gäst*innen der Akademie viel Gutes. Regionspräsident Steffen Krach wolle mitten in der Landeshauptstadt gemeinsam einen Ort der Begegnung schaffen, für Bürgermeister Thomas Klapproth habe der Umzug schon viel früher stattfinden können. Dr. Hamideh Mohagheghi, Sprecherin des Rates der Religionen, riet der Akademie, nicht nur auf Bildung und Wissen zu setzen, sondern auch auf das „offene Herz“, denn mit Herz und Geduld könne man unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen verbinden. Ein besonderes Geschenk machte Prof. Dr. Julia Koll, Akademiedirektorin der Evangelischen Akademie Loccum: eine Fahrradleuchte. Diese stehe symbolisch für die Wünsche an die katholische Schwester: gut unterwegs zu sein, Spotlights zu setzen, hellsichtig zu sein und, nicht zuletzt, wahrgenommen zu werden. Für Prof. Dr. Schachtner, Staatssekretär am Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, ist Bildung der Schlüssel dazu, jungen Menschen den Weg in sinnhafte Jobs zu bereiten. Auf Nachfrage von Tan Çağlar zur Erklärung der Bischofkonferenz zur Unvereinbarkeit des Christentums mit dem völkischen Nationalismus der AfD, betonte Bischof Wilmer, er fände diesen Nationalismus schrecklich und dieser habe „nichts, gar nichts, mit den Werten unserer abrahamitischen Religionen zu tun.“ Wir könnten uns nur gemeinsam für die Würde des Menschen im göttlichen Sinn einsetzen.
In ihrer Festrede gab Prof. Dr. Claudia Nothelle, Professorin für Fernseh-Journalismus an der Universität Magdeburg-Stendal und Vizepräsidentin des ZdK, der Akademie ihre inspirierenden Gedanken mit auf den Weg. Mit Hannovers „Stadtluft“ sei das Urbane eine Metapher für die Befreiung von alten Mustern. Sie werfe mehr Fragen auf, mehr Auseinandersetzung, und halte weniger Selbstverständlichkeit bereit. Die Herausforderung sei es, Brücken zu bauen. Denn totale Religionslosigkeit in der Stadt sei keine gute Idee, aber die schwindende Relevanz des Redens über Gott solle „Stachel im Fleisch“ der Akademie sein und ein Anlass, sich über neue Zugangswege Gedanken zu machen. Herausforderung und Chance sei dabei, hinter die Fassaden zu schauen und die Themen zu entdecken, die nicht offensichtlich seien. Mit dem Perspektivwechsel komme eine neue Offenheit.
Die Kirche, und damit die Akademie, könne als Mittlerin wirken, ohne die eigene Positionierung aufzugeben. Dazu gehöre die Sprachfähigkeit über die eigene Position und die Bereitschaft, über die Hoffnung zu sprechen, die uns bewege. Eine glaubwürdige Stimme in der Gesellschaft sei die Kirche nur, wenn sie auch Themen sexualisierter Gewalt anspreche und sich zukunftsgewandt in Diskurse einbringe.
Nothelle betonte, die Akademie sei ein Symbol für Aufbruch und eine Investition des Bistums in die Zukunft, eine Chance, verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen. Sie müsse „präsent bleiben im Vertrauen darauf, dass unsere Geschichten ihre Wirkung entfalten.“
Nach dem Diskurs war es Zeit für if a bird, die Bühne zu erobern. Mit ihrer kraftvollen Musik zwischen Rap und Soul begeisterten die jungen Musiker*innen aus Braunschweig das Publikum.
Ines Schnecker