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v.l.n.r.: Tom Sojer, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, Tara H. Weiß, Elisabeth Hubmann, Dr. Andreas Reitinger, © Simon Herbke
© Simon Herbke
Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, © Simon Herbke
Tara H. Weiß, © Simon Herbke
Thomas Harling © Simon Herbke
Elisabeth Hubmann © Simon Herbke
Tom Sojer © Simon Herbke
Prof. Dr. Klaas A. D. Smelik © Simon Herbke
Bischof Heiner Wilmer, Tara Weiß © Simon Herbke
Tara Weiß © Simon Herbke

Den Hass aus sich selbst verbannen – mitten in einer Welt voller Hass

Ein berührender Abend zum Werk der in Auschwitz ermordeten jüdischen Schriftstellerin Etty Hillesum (1914-1943) fand am vergangenen Freitag in der Citykirche St. Michael in Göttingen statt. Inmitten einer Zeit, in der Hass und Ausgrenzung wieder zunehmend gesellschaftliche Debatten prägen, ist die Botschaft Hillesums, dem Hass nicht mit Hass zu begegnen, aktueller denn je.

In Kooperation mit der khg Göttingen und St. Michael Göttingen hatte die Katholische Akademie des Bistums Hildesheim zur Veranstaltung "Bezeugen. Nicht hassen. Kunst und Denken auf den Spuren von Etty Hillesum" eingeladen.

Eröffnet wurde der Abend von Akademiedirektor Thomas Harling, der die besondere Aktualität und die spirituelle Tiefe von Etty Hillesums Haltung würdigte. In seiner Einführung zeichnete er nach, wie Hillesum es selbst angesichts drohender Vernichtung verstand, ihren inneren Frieden zu wahren und zugleich Zeugnis für die Menschlichkeit und den Glauben abzulegen.

Im Zentrum der Veranstaltung stand ein Zusammenwirken von Wort und Musik. Nach einer biografischen Einführung des Theologen Tom Sojer, der gemeinsam mit der Organistin Elisabeth Hubmann das Format entwickelt hatte, wurden Auszüge aus Hillesums Tagebüchern von der Göttinger Schauspielerin Tara Weiß eindrücklich vorgetragen. In den Lesungen stand die Authentizität der Erfahrungen Hillesums im Vordergrund: Ihr Ringen um einen offenen Blick, ihre Weigerung, den Hass zu erwidern, und ihr dringlicher Appell, Menschlichkeit im Angesicht der Katastrophe zu wahren.

Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, Autor des Buches "Herzschlag. Etty Hillesum - Eine Begegnung", ergänzte diese Ausschnitte jeweils mit Passagen aus seinem Buch, in dem er in Dialog mit Hillesum geht und ihnen somit eine weitere Perspektive verleiht. Damit entstand ein "dialogischer Klangraum", in dem sich Gedanken, Spiritualität und Zeitgeschichte begegnen konnten.

Zwischen den einzelnen Ausschnitten spielte Elisabeth Hubmann, Organistin und Musikwissenschaftlerin in Genf, virtuos Orgelwerke aus den 1900er und 1930er Jahren, deren Charakter sensibel auf die Texte abgestimmt waren. Die ausdrucksstarke Musik - teils laut und aufwühlend, teils fragil und leise - spiegelte auch die emotionale Vielschichtigkeit der Tagebuchauszüge wider und verstärkte die Stimmung der Texte im Kirchenraum.

Ein weiterer Impulsgeber an diesem Abend war Prof. Dr. Klaas A. D. Smelik, einer der führenden Hillesum-Forscher weltweit, Gründungsdirektor des Etty-Hillesum-Forschungszentrums in Middelburg und Herausgeber der Schriften Hillesums. Nicht nur zum Ende der Veranstaltung, sondern bereits am Nachmittag hatte er in einem vertiefenden Seminar zum Leben und Werk der Autorin einen Einblick in seine Arbeit zu Etty Hillesum gegeben.

Die Resonanz war groß: Die zahlreich erschienenen Besucher*innen erlebten die Veranstaltung als eine ganz neue Begegnung mit Hillesums Gedankenwelt. Viele zeigten sich bewegt und bezeichneten den Abend als neue Erfahrung, in der Wort und Musik zu einer Gesamtheit verschmolzen. Im Anschluss waren alle Teilnehmenden eingeladen, sich bei Getränken und einem Imbiss über das Erfahrene auszutauschen.

Die Botschaft Etty Hillesums hallt nach: Menschlichkeit bewahren, Unterschiede anerkennen und Zeugnis ablegen - dies ist aktueller denn je. In einem ihrer Tagebucheinträge schreibt sie: "Ich habe eigentlich keine Angst. Nicht weil ich besonders tapfer wäre, sondern in dem Gefühl, dass ich es immer noch mit Menschen zu tun habe und dass ich versuchen will, jede Äußerung zu verstehen, von wem sie auch sei, sofern mir das möglich ist."