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Die Schwarze Madonna von Soweto hängt in der Regina Mundi Kirche, der größten römisch-katholischen Kirche in Südafrika. Sie war ein Zentrum des Aktivismus gegen das Apartheid-Regime. © Friedrich Stark / Alamy Stock
Dr. Fana Schiefen führt in das Seminarthema ein. © Katholische Akademie Hannover
Diskussion zum Konzept der "Single Story" und ihrer Gefahren. © Katholische Akademie Hannover

Decolonizing Theology

Der Abschied vom Kolonialwarenladen ist auch innerhalb der Theologie eine ebenso notwendige wie herausfordernde Angelegenheit.

Ist die westlich geprägte historisch-kritische Exegese biblischer Texte die einzig richtige? Warum gehören bisher nur weiße europäische Autor:innen zum theologisch-wissenschaftlichen Kanon? Müsste das europäische Denken auch theologischer Prägung nicht längst seine eigene Provinzialität ein- und zugestehen? Werden nicht auch bei kirchlichen Hilfswerken unbewusst gewisse Stereotypen (wie etwa der hilflose globale Süden) transportiert? Und wer wird in der Geschichte des Christentums erinnert und wer vergessen? Weil fast ausschließlich der Westen mit seiner Sicht auf die Wirklichkeit definiert, was als (Kirchen-)Geschichte gilt, werden nicht-europäische Praktiken der Erinnerung und der Erzählung nicht beachtet. 

Postkoloniale Theologien als Teil des postkolonialen Diskurses verstehen sich interdisziplinär und politisch. Sie beschäftigen sich mit dem kritischen Aufdecken noch immer wirksamer kolonialer Machtstrukturen und vor allem mit deren theologischen und kirchlichen Legitimierung. Auch der nach wie vor vorhandene Überlegenheitsanspruch europäischer Theologien, der quasi eine hegemoniale Perspektive einnimmt, wird dabei hinterfragt.

Am 3. März fand im Tagungshaus St. Clemens das Seminar „Nicht nur schwarzweiß? Irritationen und Chancen postkolonialer Theologien“ statt. Die Referentin Dr. Fana Schiefen von der Universität Münster machte deutlich, dass die Dekolonisierung von europäischen Theologien diesen auch die Chance biete, sich selbstkritisch weiterzuentwickeln. Nötig sei letztlich der Abschied vom – metaphorisch gesprochen – theologischen „Kolonialwarenladen“, wenn einseitige europäische Weltbilder aus dem Sortiment genommen und stattdessen faire Beziehungen mit außereuropäisch produzierten Theologien aufgebaut würden. Somit könnten auch regionale Spezifika von Theologien in ihrer Eigenständigkeit stärker Berücksichtigung finden.

 

Schau-/Hör-/Leseliste:
•    Stefan Silber: Postkoloniale Theologien. Eine Einführung. UTB 2021.
•    Andreas Nehring/Simon Tilesch (Hg.): Postkoloniale Theologien. Bibelhermeneutische und kulturwissenschaftliche Beiträge (ReligionsKulturen 11), Stuttgart: Kohlhammer 2013.
•    Andreas Nehring/Simon Wiesgickl (Hg.): Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum. Stuttgart: Kohlhammer 2017.
•    Judith Gruber: Wider die Entinnerung. Zur postkolonialen Kritik hegemonialer Wissenspolitiken in der Theologie, in: Andreas Nehring/Simon Wiesgickl (Hg.): Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum. Stuttgart: Kohlhammer 2017, 23-37.
•    Sebastian Pittl: Anspruch und Wirklichkeit. Zu einer postkolonialen Theologie und Kirche, in: Stimmen der Zeit 12/2020, 903-914.
•    Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern Speak?, in: Laura Chrisman/Patrick Williams (Hg.): Colonial Discourse and Postcolonial Theory. New York: Columbia University Press 1994, 66-111.
•    Homi K. Bhabha: The Location of Culture. London-New York: Routledge 1994 (dt.: Die Verortung der Kultur. Mit einem Vorwort von Elisabeth Bronfen. Tübingen: Stauffenburg 2000).
•    L.I.S.A Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung, Der virtuelle Geschichtstalk: Die postkoloniale Herausforderung. Möglichkeiten und Grenzen, 17.05.2021. (Podcast)
•    Chimamanda Ngozi Adichie: The Danger of a Single Story, TEDGlobal 2009. (Video)